1. u. 2. Konzert: Amsterdam Baroque Orchestra

Es war quasi ein doppelter Paukenschlag, mit dem die Saison des VjK eröffnet wurde: Das Amsterdam Baroque Orchestra unter Ton Koopman machte in Leer zwei Tage Station, um die sechs sog. „Pariser Symphonien“ aufzuführen. Wobei der Paukenschlag sich nur auf den ersten Abend bezog, denn aus organisatorischen Gründen hatte man die ganz große Besetzung mit Pauken und Trompeten am ersten Abend zusammengefasst. Ergänzt wurde das Programm durch zwei Solokonzerte, in denen die Garnier-Orgel zum Einsatz kam, die aus Ton Koopmans Privatbesitz stammt und die im angepassten Flightcase und mit Stimmer (in Personalunion: Umblätterer und Registrierer) für die Konzerte mitgenommen wurde.

Im D-Dur-Orgelkonzert konnte man Anklänge an den bevorstehenden Gallimarkt vernehmen, denn der Orgelsound hatte teilweise einen jahrmarktähnlichen Charakter. Apropos Gallimarkt: Die angespannte Parkplatzsituation durch den bereits standfindenden Aufbau wurde von fast allen Abonnenten klaglos akzeptiert.

Das Konzert bewies, wie schade es ist, wenn diese Musik  nur als „Warm-Up“ vor einem Mozart-Klavierkonzert o. ä. gebraucht wird.  Dazu ist sie zu intelligent komponiert, zu abwechslungsreich, mitunter mit einem Augenzwinkern versehen. Ton Koopman kennt diese Musik sehr genau und seine Musiker folgten seinen interpretatorischen Anweisungen kompromisslos.

Diese Tournee wird an besonderer Stelle fortgesetzt: In zwei Schlössern der Familie Esterhazy, dem Brötchengeber Haydns in Österreich und Ungarn, werden diese Sinfonien ebenfalls aufgeführt.

Konzertkritik

Das war schon ein Knüller zur Saisoneröffnung: mit zwei Konzerten hintereinander würdigte der Verein junger Kaufleute das Genie Joseph Haydns. Sämtliche sechs Pariser Symphonien, dazu zwei Solistenkonzerte mit dem Amsterdam Baroque Orchestra unter der Leitung von Ton Koopman standen am „langen Wochenende“ des VjK auf dem Programm, in einer Synthese von erlesener Musik und geballter musikalischer Kompetenz, klassischem Urgestein und manifestierter Klangkultur. Da konnte man nur neugierig sein auf zwei Abende mit ähnlicher Musik: einmal eintauchen zu können in die Vielschichtigkeit einer Gattung, in den Ideenreichtum und die Handschrift eines Komponisten, und der Frage, wie sich ein Klangkörper mit einer solchen Aufgabe arrangiert und präsentiert. Ein mutiges Experiment, aber gelungen, denn beide Seiten lieferten, was man von ihnen erwartet hatte. Haydn eine Fülle an wohlklingender, eingängiger, ansprechender, anspruchsvoll unterhaltsamer Musik, das ABO eine entsprechende Interpretation. Damit hätte man durchaus zufrieden sein können, wären da nicht ein paar lästige Schönheitsfehler auf Seiten des Orchesters in Form von fehlender Geschlossenheit, inakkuraten Einsätzen, Schlüssen und vor allem einer recht bequemen Herangehensweise gewesen. Wo war der Haydn, von dem Mozart sagte:“Er ist der Vater, wir sind die Buben.“ ? Eine solche Verneigung von höchster Kollegen-Instanz bezog sich wohl nicht nur auf die Kompositionskunst. Wie es zu Mozarts Zeiten geklungen haben mag, ist spekulativ, doch etwas muss die Zeitgenossen aufgewühlt haben. Selbst in schlichten Menuetten wimmelt es von originellen Einfällen, lebt die Musik von harmonischen Kehrtwendungen, Stops, plötzlichen dynamischen Wechseln, wie sie von den exzellenten Bläsern (im Holz wie im Blech) so präzise auf den Punkt gespielt wurden. Dirigent und das ABO ließen viele dieser Pointen ungenutzt, bzw. unscharf herausgearbeitet verstreichen, infolgedessen sich ein zwar nobles, in der Wirkung aber fast zu braves Klangbild ohne rechten Mut zu wirklichen Effekten ergab. Ton Koopman erwies sich mit zwei Orgelkonzerten als echter Virtuose an seinem Instrument, am Samstag im Konzert in C, am Sonntag gemeinsam mit Catherine Manson (Violine) im Doppelkonzert F-Dur. Mit ein wenig mehr musikalische Interaktion zwischen beiden Künstlern wie im Largo wären auch die beiden Ecksätze sprechender und damit noch reizvoller gewesen. Doch als hätten jeweils die Solo-Einlagen einen Adrenalinschub bei Orchester und Dirigenten ausgelöst: mit Witz, Tempo, größerer Spielfreude, Schwung und Einsatz ging es in die jeweils abschließende Symphonie, deren spätere Beinamen „Der Bär“ (Samstag) und „Die Henne“ (Sonntag) das ABO mit amüsanter Lautmalerei umsetzte. So bot sich an beiden Abenden der gleiche „dramaturgische“ Aufbau: auf eine eher gemäßigt spannende erste Hälfte folgte eine weitaus aufgewecktere zweite mit Charme und Verve. Dieser Knüller hätte ein wirklicher Knaller werden können; doch das musikalische Feuerwerk blieb verhalten. Schade um die vertane Gelegenheit, einen altgedienten Klassiker einmal ganz anders aufleuchten zu lassen. Trotzdem: dieses Format bitte unbedingt wiederholen!

Barbara Fischer

Das ABO mit Ton Koopman an der Garnier-Orgel

Vor der Zugabe

Die Garnier-Orgel

Die Pfeifen

Privatkonzert für Grietje Oldigs-Nannen nach dem Konzert