3. Konzert: Doric String Quartet – Julius Drake
Wer die Programmgestaltung des Vereins junger Kaufleute negativ kritisieren möchte, der hätte natürlich ein Argument, das sich gegen den programmatischen Abwechslungsreichtum richten könnte: Da sind nun drei Konzerte gespielt und bisher standen nur zwei Komponisten auf den Programmzetteln, Haydn und Elgar.
Einerseits richtig, andererseits völlig daneben, denn wer schon die ersten beiden Konzerte unter Ton Koopman erleben konnte, muss doch bemerkt haben, wie abwechslungsreich die einzelnen Pariser Sinfonien waren. Und erst recht am vergangenen Samstag im Theater an der Blinke: Elgar at it´s best! Bei der einführenden Ansprache des Cellisten konnte man einen gewissen Stolz und eine Vorfreude heraushören, dass man von Veranstalterseite den Mut hatte, einen ganzen Abend DEM Komponisten des Heimatlandes zu widmen. Nicht nur besetzungstechnisch (Violinsonate, Streichquartett und Klavierquintett) war für Abwechslung gesorgt, auch inhaltlich unterschieden sich die Werke deutlich voneinander. Und doch lernte man vieles von der Tonsprache eines Edward Elgar, man konnte sich so richtig reinhören in seinen Erfindungsreichtum, seinen Humor, seine Grazie und Eleganz. Vor allem wusste jeder nach dem Konzert, dass ganz wichtige Kammermusik nicht nur auf dem europäischen Festland entstanden ist. Ein jeder, dem diese Werke in Zukunft bei Konzerten begegnen werden, wird an diesen Abend zurückdenken. Denn neben der Größe der kompositorischen Qualität kam noch die herausragende Leistung des Doric String Quartet und die pianistische Klasse (eben nicht nur als Liedbegleiter, sondern auch in der Kammermusik) eines Julius Drake zum Tragen. Erwähnt werden muss noch, dass Charlotte Spruit den ersten Geiger des Quartetts, Alex Redington, krankheitsbedingt ersetzt hat. Zu hören war das nicht!
Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an Emma Gennotte, die nach kurzer Einarbeitung in der Probe ihren ersten (und sicher nicht letzten) Abend als Umblätterin mit Bravour meisterte. Ohne Fehl und Tadel, mit Abstand von der Tastatur, sicher und diskret war 100%iger Verlass auf sie. Auch diese Tätigkeit trägt dazu bei, einen solchen Abend ohne jedwede Abstriche genießen zu können.
Konzertkritik
Alles Elgar, (fast) alles in Moll: die Vorzüge, sich an einem Konzertabend ganz auf einen einzigen Komponisten „einzufuchsen“, wurden beim Saisonstart des Vereins junger Kaufleute in Leer mit einer Hommage an Haydn deutlich. Nach Haydn gab es nun Elgar pur, denn mit dem Gastspiel des Doric String Quartet, und dem Pianisten Julius Drake wiederholte der VjK am Samstag das spannende Hör-Angebot, erweitert durch die Optionen „gleiches Tongeschlecht“ und „dicht aufeinanderfolgend entstanden“. Und spannend, interessant, neuartig, lehrreich, anregend war es in der Tat, denn dieser Elgar war so ganz anders als das, was im Allgemeinen von seinen Werken zu hören ist. Geradezu janusköpfig erscheint der Komponist: auf der einen Seite die populären Märsche aus „Pomp and Circumstances“ zum fröhlichen Mitschmettern auch als Nicht-Brite, auf der anderen Seite diese Kammermusik, die zwar Sangliches in Fülle enthält, doch in ihrem rastlosen, steten Strom keine Gelegenheit bietet, sich „anzudocken“. Wie die Violinsonate e-Moll op. 82, mit der Charlotte Spruit und Julius Drake den Abend eröffneten und die sich Hals-über-Kopf in das „Klangbad Elgar“ stürzt, sind auch das Streichquartett e-Moll op.83 und das Klavierquintett a-Moll op.84 geprägt von großer innerer Freiheit. Hier wurde nun die zeitliche Nähe offenbar, in der die drei Werke entstanden. Nicht, dass man darum hätte meinen können, den Verlauf vorhersagen, Motive im Voraus kennen oder die Dramatik abschätzen zu können. Der übergeordnete Stil, die „Sprechweise“, waren als aus einem Ursprung stammend zu lesen, doch die kleinen und großen Gesten, die Entwicklungen in Tempo und Dynamik, die Melodien, Einwürfe, die unterschiedlichen Spielarten, immer neue Motive wie Bälle durch die Stimmen zu werfen, zeugten von dem offenbar unbegrenzten Ideenreichtum Edward Elgars. Nicht mehr mehr wuchtig romantisch, noch nicht abstrakt wie die Moderne findet sich in den Sätzen von allem etwas: reiche Emotionalität, feierliche Lyrik, gewagte harmonische Wendungen und rhythmische Extravaganzen, doch stets licht und klar. Wohin die Reise mit dem Elgar-Zug ging, war ungewiss, doch Aufspringen und sich mitnehmen lassen, mit dem Hören dranzubleiben war überaus lohnend. Diesem Facettenreichtum nachzuspüren, ihn nicht nur in simple, funktionierende Tongebilde umzusetzen, sondern lebendig klingen zu lassen, aktiv einen Strudel in Gang zu setzen, der den Hörer fortwährend trägt und fesselt, gleichzeitig beglückt und innerlich bewegt: das war eine Aufgabe, der sich Charlotte Spruit (als Vertretung von Alex Redington) und Ying Xue (Violine), Hélène Clément (Viola), John Myerscough (Violoncello) sowie Julius Drake als sehr aufmerksamer Begleiter und Klavierpartner in bestem Zusammenspiel mit konzentrierter Energie, hochmotivierter Leidenschaft und Freude an den Elgarschen Einfällen widmeten. Großer Beifall!
Barbara Fischer
Charlotte Spruit mit Julius Drake bei der Violinsonate
Das Doric String Quartet mit Julius Drake nach der Blumenübergabe
Das Doric String Quartet, Julius Drake und Emma Gennotte während der Probe