2. Meisterkonzert: Sophie Pancini
Wer das Konzert mit Sophie Pacini erleben durfte, hatte einen ganz besonderen Klavierabend gehört. Einen Flügel, der zeitweilig ein Orchester ersetzen musste (und konnte), eine Pianistin, die diesem Instrument zarteste und wildeste Klänge entlockte, die die Flügelmechanik an die Grenzen der Belastbarkeit brachte, und eine Musikvermittlerin, die auch nach einem wilden Parforceritt scheinbar kaum außer Atem dem Publikum die Feinheiten des nächsten Werkes erklären konnte.
Das Programm mit Werken aus der Hochromantik (Chopin, Liszt und Schumann) so perfekt (zum dritten Mal in dieser Woche) aufzuführen, verlangt eine unglaubliche Konzentrationsfähigkeit und Kondition. Mit beiden Gaben ist Sophie Pacini scheinbar reichlich gesegnet, zudem mit technischen und musikalischen Interpretationsmöglichkeiten, die das Publikum bereits zur Pause mit Bravo-Rufen honorierte.
Für den Verein junger Kaufleute war es durch die Aufhebung des Maskenzwangs ein Abend, wie man ihn sich seit langer Zeit gewünscht hatte. Im Saal, im Foyer und auch nach dem Konzert beim gemütlichen Beisammensein merkte man eine befreite Stimmung und das gelebte Miteinander, auf das man so lange verzichten musste und das diesen Verein so besonders macht.
Auch Sophie Pacini nahm sich nach dem Konzert noch die Zeit, einige Autogrammwünsche zu erfüllen und sich mit einigen Interessierten nicht nur über Musik zu unterhalten. Und so leerte sich das Foyer erst gegen Mitternacht. Diese junge und sympathische Pianistin wird nicht zum letzten Mal in Leer gespielt haben.
Konzertkritik
Strahlende Gesichter schon zur Pause, lautes Gesprächssummen im Saal, Trampeln, Johlen, aufbrandender Beifall, Bravorufe in die Schlussakkorde hinein: Pianistin Sophie Pacini hatte das Publikum am Samstag in der Blinke unüberhörbar auf ihrer Seite. Besser: charmant, aber sehr selbstbewusst zog sie durch ihr Spiel und die kundigen Moderationen zu den Werken von Chopin, Liszt und Schumann die Besucher mehr und mehr zu sich hinüber, knüpfte immer fester werdende Kommunikationsbänder, bis sich eine enge Bindung von Künstlerin und Publikum in nahezu freundschaftlicher Atmosphäre entwickelt hatte. Vermittlerin von Musik sei sie, von Seele zu Seele, von Geist zu Geist. Doch zwischen Komponistenseele und -geist, bzw. denen der Hörer, stehen Sophies Seele und Geist und die kamen bei großer Tiefe, Weitsichtigkeit und Sensibilität im Umgang mit dem romantischen Gestus ohne Gefühlsduselei aus. Eher im Gegenteil: ihr Spiel, das die gern und oft zitierten und vorhandenen Kontraste in der Musik bis in die Grenzregionen des Instrumentes auslotete, das ein gefühlt vierfaches Fortissimo ebenso mühelos und klingend wie ein inniges Pianissimo hervorbrachte, dieses Spiel war überaus kraftvoll, mental wie physisch. Man spürte die vorausgegangene intensive Auseinandersetzung mit der Epoche, den Komponistenviten, den Werken, genauso aber Pacinis kritisch-analytischen Umgang mit denselben. So entstanden Interpretationen, in denen Wildheit und Sanftmut, Melodien und Schläge, Fülle und Beinahe-Leere, Kampf und Choral sehr direkt und konkret, auf gewisse Weise kompromisslos den Hörer forderten. Da war kein Kneifen möglich, das Publikum musste mit. Mit dem Nocturne c-Moll, der Polonaise-Fantaisie As-Dur (Chopin), Teilen aus den „Consolations“, der bejubelten Konzertparaphrase über Wagners „Tannhäuser“-Ouvertüre (Liszt), sowie Schumanns „Carneval“ hatte Pacini ein Programm zusammengestellt, in dem die einzelnen Werke auf mehreren Ebenen in Beziehung miteinander standen und eine intensive Begegnung mit sehr unterschiedlicher, aber stets charaktervoller romantischer Musik ermöglichten. „Es war mir ein Fest“, sagte die Pianistin mit eine tiefen Verbeugung vor ihrer Zugabe (Chopin, Nocturne cis-Moll); das Publikum hat es genauso empfunden.
Barbara Fischer
Sophie Pancini beim Einspielen
Sophie Pancini erklährt das nächste Werk
Grietje Oldigs-Nannen bedankt sich für das Konzert
Sophie Pancini vor der wunderschönen Zugabe