7. Konzert: Ferschtmann, Karizna, Pace

Da der VjK Ende November die Nachricht bekam, dass sich das eigentlich eingeladene Skride-Trio plötzlich getrennt hatte, musste Ersatz her; am besten für den gleichen Tag. Und so geht ein großer Dank an das Klaviertrio um Liza Ferschtman an der Violine, Ivan Karizna am Violoncello und Enrico Pace, Klavier. Der Zeitplan der Musiker war darum auch sehr eng getaktet, denn Liza Ferschtman hatte am Mittag noch ein Bruch-Violinkonzert in Nijmegen gespielt. Aber eine Stunde Einspielzeit reichte den Profis, um sich mit der Akustik des Theaters und mit dem Flügel vertraut zu machen.

Natürlich griffen die Musiker auf ein Programm zurück, das sie schon an vielen Orten interpretiert hatten. Klar ist auch, dass sich einem die modernen Werke von Jörg Widmann und Galina Ustvolskaya nach einmaligen Hören nicht sofort erschließen. Aber jeder im Saal wird bestätigen: Die Tonsprache Schostakowitschs in seinem ersten Klaviertrio kam einem nach dem vorher gehörten gar nicht mehr sooo modern vor. Und vom „Grand Duet“ von Ustvolskaya ist den meisten Zuhörern doch der kristalline Klang des Motivs in den Höhen des Flügels im Ohr geblieben. Die Entwicklung der „klassischen“ Musik darf nicht stehen bleiben – und solche Werke wie das „Grand Duet“ haben große Chancen, auch in Zukunft auf den Konzert-Programmen der Veranstalter zu erscheinen.

Der fast orchestrale Klang der Musiker im 3. Klaviertrio von Johannes Brahms bildete einen fantastischen Abschluss eines wunderbaren Kammermusik-Abends.

Konzertkritik

Nicht ein Schlag, nein, viele Schläge, unbarmherzig, brutal, innervierend, kalt, in ihrer Rohheit gefühllos. Gnadenlos. Nein, eine milde Vorfrühlingsahnung verbreitete das „Grand Duet“ für Violoncello und Klavier von Galina Ustvolskaya nicht. Im Gegenteil: Schmerz, Qual, den Tod vor Augen prägen die Grundstimmung des Werkes. Dabei hatte alles so gut angefangen, bei diesem vorletzten Saisonkonzert des Vereins junger Kaufleute in Leer. Ein Sonntagabend und Schubert, das passte gut zusammen. Verhalten die ersten Töne vom Flügel, mit denen Enrico Pace das Publikum in die Violinsonate A-Dur, genannt „Grand Duo“, mit hineinnahm. Still verhalten blieb es aber nicht lange; gleich vorgezogenem Aprilwetter wechselten unvermittelt Licht und Schatten, Rasanz und Liedhaftes, Gewitter und Sonnenschein. Das war so recht etwas für die schwungvolle und frische Herangehensweise von Lisa Ferschtman und Pace, die das zweihundert Jahre alte Werk in moderne, hellwache Expressivität führten. Luft holen, Innehalten, nach innen horchen. Nach soviel agiler Aufbruchsstimmung gaben Jörg Widmanns „Vier Strophen vom Heimweh“ für Violine und Violoncello (Ivan Karizna) in ihrer klangvollen Beinahe-Unhörbarkeit ein Stück mentale Sicherheit zurück. Eine trügerische Sicherheit, die wie aus dem Nichts durch diese martialischen Schläge zertrümmert wurde. Ustvolskayas „Grand Duet“ ist ein Werk, das die Hörermeinungen spaltet, von „Das hatten wir doch alles schon mal“ über „Was soll das?“ bis zu einem (klingenden) Finger auf dem wunden Punkt. Die eigene Verfassung steuerte die Reaktion auf die Begegnung mit Klängen, die Leid, Angst, Panik, Wut und Hass auszudrücken scheinen, die eine Null-Linie zwischen Existenz und Nicht-mehr-sein beschreiben, und dem kurzfristigen „Himmel“ zwischen Schrapen und Sägen nur ein hauchdünnes Leben gönnen. Wer schreibt solch eine Musik und warum, für wen? Muss Musik im Konzertsaal immer gefallen? Darf, kann, soll sie provozieren? In jedem Fall ist es gut, das Werk einmal gehört und erlebt zu haben, und die eigene Bereitschaft, dieses oder Vergleichbares zuzulassen, auszuhalten, zu überdenken. Das Trio Ferschtman, Karizna und Pace ließ weder locker noch nach, sowohl die große Form mit dem Trio c-Moll von Schostakowitsch als auch die kleine wie in zwei weiteren kurzen Duos von Widmann konditionsstark und spannungsvoll zu interpretieren, das Publikum mental und in der Konzentration herauszufordern. Am Schluss dieses geballten, aber so gut gebauten Programmes stand das Trio c-Moll von Brahms: noch einmal große Gesten, noch einmal orchestrale Klangfülle, noch einmal große Emotionen. Es gab viel zu hören an diesem intensiven Sonntagabend, fast zuviel. So stimmte die Zugabe, das Menuett aus Schumanns „Fantasiestücken“, auf eine gewisse Art versönlich.

Barbara Fischer

Liza Ferschtmann, Ivan Karizna und Enrico Pace vor der Zugabe

Während der Zugabe mit Emma Gennotte, welche Enrico Pace als Notenwenderin unterstützt hat

Liza Ferschtmann, Ivan Karizna und Enrico Pace während der Probe

Blick von der Bühne auf die Musiker und den Flügel