6. Konzert: Das Lichtspielorchester

Da stand ein Equipment auf der Bühne, das man sonst eher nicht bei Konzerten des Vereins junger Kaufleute erlebt: Ein Drumset, Verstärker und Tonabnehmer für eine E-Gitarre, da schien sich ein besonderes Klangerlebnis anzubahnen. Und das wurde es auch, das Konzert für Violoncello und Blasorchester von Friedrich Gulda. Ist das Satire, Spaß, ernste Musik? Guldas Zitat im Programmheft konnte für Aufklärung sorgen. Um den vielschichtigen Charakteren des Stückes gerecht zu werden, braucht es auf jeden Fall Profis, die die heiklen Klippen im Notentext so genau wie möglich umschiffen können, damit die Musik ihre Wirkung nicht verfehlt. So geschehen am letzten Samstag im Konzert im Theater. Das „Lichtspielorchester“ unter der Leitung von Stefan Geiger zeigte schon in den Werken von Strauss und Francaix, dass es sich sehr gut darauf verstand, saubere Bläsereinsätze punktgenau zu servieren. Und Tanja Tetzlaff am Violoncello hatte sichtbar Lust und natürlich auch die Klasse, den Solopart mit seinen höchsten Anforderungen in Klang und Technik umzusetzen. Schließlich war das für sie auch quasi Ehrensache, wurde das Werk doch ihrem Lehrer Heinrich Schiff gewidmet.

Das Ensemble hatte das Programm extra bzw. exklusiv für den Auftritt in Leer zusammengestellt und vorbereitet. In den kommenden Spielzeiten soll dieses Programm dann auch anderen Veranstaltern in selber Besetzung für Festivals und andere Reihen angeboten werden. Leer dankt!

Konzertkritik

Ein wenig musste man sich am Samstag beim Verein junger Kaufleute in Leer an den Klang des Lichtspielorchesters gewöhnen; ein Blasorchester hört man auf Konzertbühnen eben nicht allzu oft. Doch es hat gegenüber der Streicherfamilie einiges an charaktervollen Klängen zu bieten: in der Tiefe von einer grummelnden Tuba über brummende Hörner und dem aufpeppenden sonoren Ton der Fagotte hin zu singenden Oboen im Verbund mit Klarinetten und in der Höhe bekrönenden silberhellen Querflöten. Da ergeben sich eine schwelgerische Tonsprache und große Gefühle fast von selber, denn wer könnte dem samtenen Schmeicheln einer Oboe widerstehen oder sich nicht vom pompösen Auftreten mehrerer Hörner einfangen lassen? Das wussten auch Komponisten wie Richard Strauss und Jean Francaix. Strauss‘ Suite B-Dur führte mit inhaltlich klar formulierten Sätzen bestens in die Thematik „Originalmusik für Bläser“ mit ihren vielfältigen Ausdrucks- und Gestaltungsmöglichkeiten ein. Das Spiel mit instrumentenspezifischen Hörerwartungen sowie deren Erfüllung, etwa im elegischen Andante Es-Dur, beherrschte neben Strauss auch Jean Francaix. Seine fünf lebensfrohen Stücke für Violoncello und acht Bläser strotzten vor schönen Klangideen, vom Mond im Stimmungstief über eine sacht vor sich hin dümpelnde Berceuse hin zum finalen „Mouvement perpetuel“, das im Vergleich mit Rimsky Korsakovs „Hummelflug“ zwar etwas langsamer war, aber deutlich mehr musikalischen nebst Klangwitz zu bieten hatte, wie ihn die bravorösen Mitglieder des Lichtspielorchesters auf ihren Fagotten, Klarinetten und Co mitbrachten.

Wie passte denn ein Cello zu soviel bläserischer Übermacht? Kurz: es war eine wunderbare Symbiose, in der beide Seiten nahmen und gaben bis hin zu klanglicher Verschmelzung, denn das Cello mit ebenfalls sonorer Tiefe und singender Höhe ging zuweilen völlig im Bläserklang auf. Tanja Tetzlaff atmete Gemeinsamkeit stiftend mit den anderen; auch in Hinsicht auf Interpretation zogen alle unter der agilen, ausladenden und „anschiebenden“ Führung des Dirigenten und Posaunisten Stefan Geiger an einem Sinn- und Lust-auf-mehr bringendem Strang. Intonation ist bei Bläsern immer ein Thema und für den einzelnen eine sehr delikat zu behandelnde Angelegenheit; die anfänglichen Unsauberkeiten legten sich schnell, und das Ensemble fand zu einem homogenen warmen Gesamtbild mit orchestraler dynamischer Bandbreite. Für Friedrich Guldas Cellokonzert op.129 gesellten sich noch Percussion, Kontrabass und Gitarre zum Orchester. Diejenigen im Publikum, die das Werk kannten, schmunzelten schon vorher; die anderen erlebten eine humorvolle Überraschung, die letztendlich das Publikum ordentlich in Stimmung brachte und für ausgelassenen Beifall aller Art sorgte. Zwischen Bigbandsound, Rock und alpenländischer Gemütlichkeit übergangslos hin- und her springend, animierten die Musiker zum Mitgrooven bzw. -schunkeln. Ein idyllischer Heimatabend mit weihevollen tiefen Bläsern und Cello-Süße fehlte ebenso wenig wie ein Ländler mit Alphorn-Imitation. Dann als Vorgeschmack auf den fulminanten Schluss: großer Cello-Auftritt in der Cadenza zwischen den Welten, virtuos, abgehoben, exaltiert, modern, wow. Kann ein Cello nicht? Doch, kann es wohl, und mit Verve legte sich Tanja Tetzlaff in die rockige wie in die liebholde Kurve. Doch es ging noch mehr: im Finale mutierte das Lichtspielorchester zur Zirkusblaskapelle mit Marsch und großem Wummtata. Manege frei für Cello und Consorten! Bei allem (musikalischen) Spaß: ohne die nahezu artistischen Fertigkeiten Tetzlaffs, ohne das Lichtspielorchester, das ebenso wie die Solistin perfekte Haken in Sachen Stilwechsel schlug, ohne die Bereitschaft aller Musiker, den Gulda’schen Humor so charmant und gekonnt umzusetzen, wäre die Musik ein platter Witz und das Schmunzeln ein gequältes Lächeln gewesen. So aber gab es viele fröhliche Gesichter am Ende dieses in schönster Erinnerung bleibenden Abends.

Barbara Fischer

Grietje Oldigs-Nannen und Tamme Bockelmann stellen das Programm für die Saison 2024/2025 vor

Das Lichtspielorchester mit ihrem Dirgenten Stefan Geiger

Tanja Tetzlaff und das Lichspielorchester mit ihrem Dirigenten Stefan Geiger vor der Zugabe

Die Zugabe: 1. Ouverture, Konzert für Violoncello und Blasorchester op. 129 von Friedrich Gulda

Drumset, Verstärker und Tonabnehmer für eine E-Gitarre

Bei der Probe vor dem Konzert