11. Meisterkonzert: Klavierduo Lucas & Arthur Jussen

Es war das sechste und damit letzte Konzert dieser etwas „zerstückelten“ Saison in der Reihe des Vereins junger Kaufleute am vergangenen Donnerstag. Auf der wieder einmal wunderbar ausgeleuchteten Bühne standen sich zwei Steinway-Konzertflügel gegenüber, 176 Tasten, ca. 480 einzelne Saiten, genügend Material also, um als Klavierduo mal so richtig Spaß zu haben.

Das kündigte Lucas Jussen in einer kurzen Ansprache auch an, dass er und sein Bruder Arthur an diesem Abend eben diesen haben würden. Und das zeigten sie dann auch, zuerst vierhändig in Mozarts Sonate C-Dur KV 521, anschließend an zwei Flügeln mit Chopin, Ravel, Schostakowitsch und Rachmaninoff. Die zwei Zugaben, die sich ein begeistertes Publikum erklatschte, waren zuerst das Stück La Coquette, einer der reizendsten Walzer, die Arensky je geschrieben hat, voller koketter Seitenblicke und äußerst aufreizend, anschließend die Bearbeitung von Kurtag über Bachs „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ (Actus Tragicus, BWV 106).

Erst um 18:30 Uhr kamen die beiden am Theater an, ein Stau verzögerte die Fahrt von Fulda nach Leer. Aber es reichten dann knappe 20 Minuten zum Einspielen, um sich mit der Bühne, der Akustik und den Instrumenten vertraut zu machen.

Lag es nun an der verwandtschaftlichen Bindung der beiden, an deren fundamental erstklassigen Ausbildung am Klavier, dass sie so ein präzises, blindes Verständnis zueinander hatte, um auch die schwierigsten Passagen auf den Punkt genau zu spielen? Rhythmisch vertrackte Figurationen wurden genauso selbstverständlich bewerkstelligt wie der Aufbau großer (oder kleiner) melodiöser Themen. Man sah ihnen den Spaß an, denn beide hatten das passende Spielzeug, pardon: Werkzeug in der Hand (bzw. unter ihr), um alles so zu meistern, dass es einen maximalen Effekt bekam. Ein wichtiger Baustein ist sicher das Auswendig-Spiel der beiden, denn so störten keine Noten die Sicht, um zumindest hin und wieder mit kurzen Blicke oder durch ein Kopfnicken zu kommunizieren.

Nach 2 Stunden Konzertbetrieb setzten sich die Brüder wieder ins Auto, um noch nach Amsterdam zu fahren. Für den Verein war es ein gelungenes Abschluss-Konzert der Saison, und von so vielen Tönen und Klängen berauscht gingen die zufriedenen Zuhörer nach Hause in großer Vorfreude auf die neue Saison!

Konzertkritik

Eigentlich war es ein ganz normales Programm für einen Klavierabend. Am Donnerstag gab es als coronabedingten Nachholtermin in der Konzertreihe des Vereins junger Kaufleute ein Rezital, für welches der Verein das Duo Lucas & Arthur Jussen verpflichtet hatte, ein hochdekoriertes, junges Brüderpaar aus den Niederlanden. Mit Mozart, Chopin, Ravel, Schostakowitsch und Rachmaninoff fanden sich zu erwartende Komponisten, das Besondere indes lag im Kleingedruckten. Dort war der Zusatz „zu vier Händen“, bzw. „für zwei Klavier“ zu lesen, und damit versprach der Abend nicht nur seltener gehörte Werke, sondern auch gesteigerte Optik: zwei Konzertflügel stellen eine schiere Masse Instrument dar. Doch ebenso faszinierend war es, zwei Menschen zu erleben, die seit ihrer Kindheit viel Zeit gemeinsam am Flügel verbracht haben. Wer so lange miteinander spielt und spielend musiziert, trifft sich spielend und musizierend auf einer anderen Ebene. Dort werden eigene Geschichten ersonnen, andere erzählt, weitergesponnen, dazu Informationen ausgetauscht, deren Übermittlungswege der Zuhörer nur erahnen kann. Nach außen hin ist die Körpersprache der Brüder zwar individuell, doch sehr ähnlich und trifft sich an musikalisch exponierten Stellen zu einer gemeinsamen Haltung. Weitaus stärker aber ist der innere Zusammenhalt, der eine nonverbale, und, so scheint es, telepathische Kommunikation ermöglicht. Die innere und musikalische Übereinstimmung grenzt an ein Wunder; Technik und Timing sind perfekt. Nehmen und Geben, Frage und Antwort, Entwurf und Fortführung, die Anschlagskultur greifen makellos ineinander. Kein Wunder, dass es schon zur Pause Jubel, Trampeln, Pfiffe und Bravorufe aus dem Publikum gab. Und doch mochte sich bei aller Faszination und ehrlicher Bewunderung nicht das rechte Glücksgefühl einstellen. Lag es an der Werkauswahl? Mozarts C-Dur-Sonate zu vier Händen war ein hübscher Einstieg, der werkbedingt gewisse Längen aufwies, die auch pianistische Delikatesse nicht aufzufangen vermochte. Chopins Rondo, ebenfalls in C, mit teils amüsanten Passagen, wies in seiner dramatisch lebhafteren Gestaltung in die Zukunft der Klaviermusik. Dann ging es Schlag auf Schlag: „La Valse“ von Ravel, Concertino op. 94 von Schostakowitsch, Suite Nr. 2 von Rachmaninoff. Diese Werke sind inhaltlich in ihrer Thematik, der zeitweisen Schroffheit und tonalen wie akustischen Aggressivität und Wucht nicht ohne den Bezug zu ihrer Entstehungszeit zu verstehen; Gesellschaftsbilder und musikalische Zeitzeugnisse sind es, die von den Brüdern Jussen ebenso virtuos wie musikalisch-rhetorisch ausgefeilt und dramatisch dargestellt wurden. Ein mentaler Ruhepunkt als Intermezzo (wie die zweite Zugabe von Bach: „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ in einer Bearbeitung von Kurtág) aber hätte sicher geholfen, dem Abend eine intimere Note zu verleihen.

Barbara Fischer

Die zwei Steinway-Konzertflügel vor dem Konzert

Lucas & Arthur Jussen an den Konzertflügeln

Lucas & Arthur Jussen nach der Pause mit farbenfroher Bühnenbeleuchtung

Lucas & Arthur Jussen vor der Zugabe