3. Konzert: Amatis Trio
Die erste Bewährungsprobe hat der Newsletter des Vereins junger Kaufleute gemeistert; alle Abonnenten, die ihre Mailadresse nach dem Anschreiben zu Saisonbeginn mitgeteilt hatten, konnten so frühzeitig informiert werden, dass Herr Thomas Quasthoff nicht am Konzert am vergangenen Samstag mitwirken konnte, da er mit einer Grippe im Bett lag. Unsere Vorsitzende rief vor dem Konzert noch einmal dazu auf, die Mailadresse mitzuteilen; diesem Aufruf sind auch spontan bereits viele Abonnenten gefolgt.
Dem Andrang nach zu urteilen hat das aber niemanden davon abgehalten, das Konzert zu besuchen, das nun alleine vom Amatis Trio gestaltet wurde. Und man muss sagen: Da hätte man auch ganz schön was verpasst. Denn die drei jungen Musiker spielten ein erfrischendes, blitzsauberes und hochinteressantes Programm, bestehend aus Beethovens op.1/1 und Felix Mendelssohn-Batholdys Klaviertrio Nr. 2 op. 66. Dazu die Entdeckung des Abends, die Bearbeitung für Klaviertrio des Klavierstücks „Vallée d´Obermann“ von Franz Liszt. Dazu kamen die Erläuterungen vom Cellisten Samuel Shepherd, in überaus unterhaltsamer Form vorgetragen.
Wie sehr die Musiker das Publikum mit ihren Interpretationen fesseln konnten, zeigt alleine die Tatsache, wie vergleichsweise wenig Störgeräusche in der Hochzeit der Erkältungsphase durch Husten o. ä. zu hören war.
Die einhellige Meinung bei dem gemütlichen Zusammensein im Anschluss war jedenfalls, dass das Trio gerne wieder nach Leer kommen sollte, ob mit oder ohne Herrn Quasthoff.
Konzertkritik
Nicht versäumen, bitte: in vier Sätzen von Bonn nach Wien inklusive Stadtbummel durch die Gassen unter fachkundiger Führung und obligatorischem Kaffeehaus-Besuch. Zu buchen beim Amatis Trio oder beim Verein junger Kaufleute in Leer. Empfohlen wird ebenso die Teilnahme an einem Ausflug an den Fuß der Schweizer Alpen vom selbigen Veranstalter, wie auch das Top-Erlebnis einer überwältigenden Werk-Expressivität zum Abschluss dieses außerordentlichen Kurztrips. Das Theater an der Blinke hätte am Samstag daher etwas besser besetzt sein können; ein Teil der Gäste war vielleicht enttäuscht, den Sänger und Rezitator Thomas Quasthoff nicht erleben zu können, da dieser krankheitsbedingt absagen musste. Einem anderen Teil mag das eigentlich geplante Programm mit Musik aus den 1920ern sowie Feldpostbriefen aus dem Ersten Weltkrieg unbequem oder auch belastend gewesen sein. Das Amatis Trio jedoch „pur“, mit einem zwar völlig anders gelagerten, doch nicht minder ansprechendem oder aufwühlenden Programm hören zu können, entpuppte sich als großer Glücksgriff. „It’s a joy“, so fasste Cellist Samuel Shepherd das Beethovensche Klaviertrio Es-Dur op. 1, Nr.1 zusammen, das mit Wohlklang und einer Fülle kleiner und kleinster Motive aufwartet. Nicht nur für das Publikum besaß das Werk hohen Unterhaltungswert, auch die drei Musiker (neben Samuel Shepherd auch Lea Hausmann, Violine und Mengjie Han, Klavier) beguckten, bestaunten die unzähligen „Figürchen“ mit Genuss und Charme, lächelten sie gleichsam an, kosteten das gemeinsame Spiel mit ihnen mit kunstvollem Humor und großer Freude aus, ein Gang durch eine klingende Wunderkammer. Auch das „Vallée d’Obermann“, eine Erzählung in Tönen von Franz Liszt ist reich an Besonderheiten, doch bei weitem nicht so heiter und unbeschwert wie das vorher Gehörte. Düsternis, Affekte und Effekte, eine (ebenfalls) ideenreiche Klangsprache, mentaler Tiefgang mit inneren Zwistigkeiten forderten eine gestalterische Interpretation mit langen Bögen, die den Fortgang der Geschichte bis zu ihrem abrupten Abbruch spannungsvoll gewährleisteten. Das Amatis Trio wechselte mühelos vom Kabinett in eine Galerie und ließ ein opulentes Hell-Dunkel-Gemälde mit reichlich Dramatik entstehen. Vom Einzelbild quasi zum Zyklus: ihre Wandlungsfähigkeit, aber auch das Können, ein Abendprogramm in kontinuierlichem Crescendo nicht nur zu konzipieren, sondern musikalisch immer breiter werdend mit Leben und Inhalt zu füllen, bewiesen die Künstler mit Mendelssohns Klaviertrio Nr. 2 C-Moll. Geschlossenheit, perfekte Balance, absolute Gleichberechtigung, gegenseitige Achtung und gemeinsame Achtsamkeit für die Mendelssohnsche Sprache zwischen Kantilenen, Expressivität und eindrucksvollem Gehalt wie dem Choral im letzten Satz sorgten für große Begeisterung beim Publikum. Jeder applaudierte „für zwei“, um dieses großartige Erlebnis entsprechend zu würdigen. Verzicht auf das eine, doch Gewinn statt Verlust: das Amatis Trio machte es möglich.
Barbara Fischer
Grietje Oldigs-Nannen informiert über die Programmänderung
Das Amatis Trio bei der Probe
Das Amatis Trio beim Spielen von Liszt
vor der Zugabe