8. Konzert: Anneleen Lenaerts & Christiane Karg

Ganz still und dezent endete die Saison des Vereins junger Kaufleute am vergangenen Samstag. Eingeladen waren Christiane Karg, Sopran, und Anneleen Lenaerts an der Harfe, die an dem Tag Geburtstag hatte. Natürlich gebührt an dieser Stelle immer ein großes Kompliment den Musikerinnen, aber das größte Kompliment bekam von denen dieses Mal das Publikum bzw. die Abonnenten des VjK. Die Damen auf der Bühne spürten die Konzentration im Saal, die ihre filigranen Interpretationen von Liedern von Debussy, Respighi und Strauß auslösten. Dazu kam die wunderbare Akustik im Theater an der Blinke, die den langen Nachklang auf der Harfe bis in die letzten Reihen hörbar machte.

Die Musikerinnen waren weit gereist, um den Termin in Leer wahrzunehmen; zwei Tage vorher spielten sie in Wangen / Allgäu und am Montag musste Anneleen bereits wieder parat stehen für eine Probe der Berliner Philharmoniker. Doch diese Reisestrapazen sah und hörte man nicht: Es wurde ein absolut besonderer Liederabend. Dazu mehr in der Kritik von Frau Fischer.

Konzertkritik

Geige, Trompete, Klavier oder Fagott: sie sind im Klang untereinander unverwechselbar, und nur Insider hören darunter jeweils besondere Instrumente heraus. Orgeln, insbesondere die historischen, sind dagegen schon deutlich individueller und daher leichter voneinander zu unterscheiden. Alle aber sind zumindest in Teilen zu ersetzen, austauschbar. Eine Stimme ist das nicht. Sie wird mit ihrem Träger geboren und vergeht unwiderruflich mit ihm. Sie ist einzigartig. Und sie ist uns so nahe wie kein Instrument es je sein kann. Die Singstimme ist ein Teil von jedem. Vielleicht reagiert der einzelne daher so sensibel auf die Stimme eines anderen. Mag man sie? Mag man sie nicht? Berührt sie oder schreckt sie vielleicht sogar ab? Doch von Anfang an. Am Samstag fand in der Leeraner Blinke das letzte Saisonkonzert des Vereins junger Kaufleute statt. Orchestermusik, Kammermusik in größeren oder kleineren Besetzungen, sowie Soloabende gab es zu erleben, oft ungewöhnlich, ja sogar außergewöhnlich, und stets von hoher Qualität. Dieses Konzert mit Christiane Karg (Sopran) und Anneleen Lenaerts (Harfe) führte die Hörer nach einem spannenden, aufregenden Halbjahr zurück an den Ursprung. Gesang und Harfe: denkt man an Orpheus, so war diese Kombination schon in der Antike äußerst erfolgreich. Und der Zauber ist ungebrochen. Denn gerade Debussys fünf Lieder (wie die anderen Werke eigentlich mit Klavier vorgesehen) lebten vom besonderen Charme der Harfe. Welch ein Bild: ein mondbeschienener stiller Platz, in dessen Mitte ein kleiner Brunnen leise vor sich hinplätschert, der Himmel ist mit Sternen übersät. Ein rechter Ort für heimliche Zwiegespräche, sei es zu zweit oder mit sich selbst. Debussy hat Stimmung und Lokalität in lichten Klang verwandelt, in Poesie und geheimnisvolles Schweben. Während sich der Nachthimmel über dieser Idylle weiter drehte, tauchte man als Hörer immer tiefer in die traumhafte Szenerie ein, getragen von den unwirklichen, von Lenaerts so subtil gespielten Harfentönen in leuchtender immaterieller Präsenz. Doch auch in die Stimme von Christiane Karg begann man sich zu versenken. Nur selten voll ausgesungen, meist mit wenig bis mittlerem Vibrato, schuf sie eine durch die Sprache strukturierte Binnenzeichnung im Ganzen, die gleichberechtigte Einheit von Malerei und Zeichnung, von Klang und Diktion. Sechs unbekannte Lieder von Ottorino Respighi empfand der Hörer schon als sehr viel „erdverhafteter“; zwar immer noch wie instrumental erzählend, kam der Stimme hier ein größeres dramaturgisches Gewicht zu, in dessen Folge die Sopranistin insbesondere in oberen Lagen mit mehr Volumen arbeitete. Ob man nun diese Höhe, in der der an sich volle und runde Klang durch sehr starkes Vibrato nahezu überlagert wurde, mochte oder eben nicht, war sicher Geschmacksfrage. Weitaus beeindruckender war die Fähigkeit Kargs, gerade im Piano oder Pianissimo die Töne in sämtlichen Lagen so wohlklingend anzusetzen wie es ihrem Timbre entsprach. So wurde der große Anteil an Strauss-Liedern ein finales Hörerlebnis. „September“, „Beim Schlafengehen“ und „Im Abendrot“ verzauberten noch einmal mit ihrer stillen Poesie, einem wunderbaren Harfensolo noch dazu. In der völligen Ruhe, in der die Sängerin im schlichten Kleid neben Harfe und ihrer Partnerin stand, erinnerte sie an eine griechische Statue. So schloss sich optisch der angedachte Bogenschlag zur Antike. Dem leisen Verklingen der Saiten brandete der lange Applaus umso lauter entgegen, Anlass für eine ebenfalls berührende Zugabe.

Barbara Fischer

Christiane Karg bereitet auf das kommende Programm vor

Christiane Karg und Anneleen Lenaerts

Vor der Zugabe

Bei der Probe

Stimmen der Harfe