2. Konzert: Prégardien, Hölscher, Maintz, Heide

Das Konzert am vergangenen Samstag hing wahrlich an einem seidenen Faden: Am Nachmittag des Konzerttages kam die Nachricht, dass Christoph Prégardien einen Allergie-Schock erlitten hatte. Im Hintergrund wurden bereits Ideen über ein alternatives Programm entworfen, aber dann kam um 18 Uhr die Entwarnung: Er kann singen. Und wie.

Im Konzert hat man bei ihm von den Widrigkeiten des Tages kaum etwas merken können (von den noch immer etwas gequollenen Augen einmal abgesehen). Die Interpretation der englischen Volksliedbearbeitungen von Ludwig van Beethoven wurde so trotz alledem zu einer echten Entdeckung. Warum sie so selten zu hören sind, kann man sich kaum erklären. Beethoven war nie in England, und so müsste er seine Kenntnisse über englische Volkslieder aus Reiseberichten oder eventuell mitgebrachten Notenmaterial gesammelt haben. Beim Hören kamen Erinnerungen bzw. Assoziationen an das Leben der einfachen Landbevölkerung, an einen Abend in einem Park oder in einer Hafenspelunke. Und zugegebenermaßen musste man nach dem Konzert konstatieren, dass die Instrumentation Beethovens mit der Begleitung durch ein Klaviertrio doch durchaus ausgefeilter und raffinierter war, als die Bearbeitung einiger Schubertscher Lieder für die gleiche Besetzung von Wolfgang Renz in der zweiten Programmhälfte. Die Liedbegleitung allein durch das Solo-Klavier von Daniel Heide war durchaus packend genug.

Eingeleitet wurde der Abend von einer Schubert-Sonate mit Franziska Hölscher an der Violine. Die zweite Programmhälfte eröffnete dann Jens Peter Maintz mit der Cellosonate op. 102/1 von Beethoven.  Zusammen mit dem sog. „Gassenhauer-Trio“ wurde es ein abwechslungsreicher, kurzweiliger Abend. Und der gesellige Ausklang im Foyer bei Currywurst und Bier ließ Zeit für nette Gespräche; das Durchblättern der Programme der letzten 20 Jahre zeigte den Musikern viele (alte) Bekannte, die bereits vor ihnen in Leer waren. Für die vier Musiker am Samstag war es eine Premiere in Leer, der (nach dem Willen einiger Besucher) weitere Auftritte folgen sollten.

Konzertkritik

Wenn zu Beginn eines Konzertes einer der Künstler eine Ansage machen muss, schwant dem erfahrenen Publikum nichts Gutes. So war es auch im Konzert des Vereins junger Kaufleute am vergangenen Sonnabend. Pianist Daniel Heide kündigte an, dass der Sänger des Abends, Christoph Prégardien, am Nachmittag einen allergischen Schock erlitten habe und deshalb wohlmöglich beim Singen etwas eingeschränkt sei. Eine solche Ankündigung löst neben der Sorge um den Betroffenen auch das Bedauern aus, einen Meister des Liedgesangs nicht auf der Höhe seines Könnens zu erleben. Glücklicherweise stellte sich im Laufe des Abends heraus, dass alle Bedenken unbegründet waren.

Aber der Reihe nach: An die von Franziska Hölscher (Violine) und Daniel Heide (Klavier) sehr fein, vielleicht ein bisschen harmlos musizierte Sonate a-Moll von Franz Schubert schlossen sich Beethovens Volksliedbearbeitungen über Melodien von den britischen Inseln an, selten zu hörende, aber dafür umso spannendere Werke. Da war durchaus kunstvoll durchgearbeiteter Beethoven zu hören, aber in ungewohnt folkloristischem Gewand, heiter und mit musikantischem Schwung. Den Ausführenden war die Freude an diesen Liedern merklich anzuhören, allen voran Christoph Prégardien mit pointierter Diktion der englischen Texte.

Auch der bekannte Beethoven kam mit dem berühmten „Gassenhauer“-Trio und der großartigen Cellosonate C-Dur zum Zuge. Vor allem im zweiten Stück haben es Jens Peter Maintz (Violoncello) und Daniel Heide (Klavier) mit sicherem Gespür verstanden, die hohe Komplexität des Werkes deutlich und klanglich fein abgestuft hörbar werden zu lassen.

Zum Abschluss begeisterte der zwar äußerlich leicht beeinträchtigte, stimmlich aber vollkommen intakte Christoph Prégardien mit ausgewählten, sehr bekannten Schubert-Liedern. „Der Musensohn“, „Der Frühling“ (spontane Bravo-Rufe aus dem Publikum), „Erlkönig“, „Wanderers Nachtlied“ – hier war der große Lied-Tenor zu hören, der mit natürlicher Phrasierung, feinen Farbwechseln und klarer, sehr bewusst eingesetzter Artikulation meisterhaft gestaltet, ohne je übertreiben zu müssen. Ein hoch spannender, sehr abwechlungsreicher Abend.

Christian Meyer

Franziska Hölscher und Daniel Heide

Christoph Prégardien, Franziska Hölscher, Jens Peter Maintz, Daniel Heide

Vor der Zugabe

Nach dem Konzert