6. Konzert: Kammerorchester Basel, Anastasia Kobekina
Es war sicher ein denkwürdiger Abend, der Besucher von nah und fern ins Theater an der Blinke zog: Das Konzert des Kammerorchesters Basel mit Anastasia Kobekina am Violoncello. Dieser mitreißenden Spielfreude konnte und wollte sich niemand entziehen. Frau Fischer bringt es in ihrer untenstehenden Kritik mal wieder genau auf den Punkt.
Leer war am Samstag der Startpunkt einer kleinen Tournee des Orchesters mit ihrer sympathischen Solistin; am Sonntag ging es per Zug weiter nach Burgsteinfurt, danach nach Wien ins Konzertaus und nach Basel zum Heimspiel.
Nach der Vorstellung des Programms für die anstehende Saison von der Vorsitzenden und des „Programmdirektors“ kam ein bunt gemischtes Programm aufs Tableau des Theaters mit dem Schwerpunkt Venedig und Vivaldi, aber auch mit musikalischen Abstechern in zeitgenössische Gefilde. Das Programm war durchaus gut zusammengestellt und ebenso choreografiert, wenn man das Zusammenspiel der Solistin mit ausgewählten Solisten des Orchesters betrachtet; wenn sich daran anschließend die Musiker, die in ihrer kurzen Pause auf der Bühne im Hintergrund blieben, wieder einschlichen, sowohl ins Geschehen als auch in die Musik – das hatte was. Oder der direkte Anschluss eines Cellokonzertsatzes von Vivaldi nahtlos an eine vorangestellte Konzertarie – das war durchdacht und wohlüberlegt.
So konnten die Besucher nach Paganinis Moses-Variationen, die Anastasia Kobekina als Bravourstück mit schier unglaublicher Eleganz in jeder virtuosen Passage (von denen es in diesem Stück bekanntlich einige gibt) unvergleichlich meisterte, ihrer Begeisterung freien Lauf lassen. Premiere hatte dabei auch das neue Cello-Podest für die Solistin, das der Verein kürzlich angeschafft hat und dazu dienen soll, den Resonanzen des Violoncellos noch mehr Tragkraft zu verleihen. Unser Dank gilt auch wieder dem Einsatz von Dietrich Hein, der sein zweimanualiges Cembalo wunderbar vorbereitet hatte, um dem Cembalisten auch ein paar auffällige Nuancen gewähren zu können, die Anastasia während des Konzertes das eine oder andere Lächeln abgewinnen konnten. Das Stimmschema als Vorgabe des Orchesters haben wir mal als Foto angefügt (Tonhöhe 415Hz).
Konzertkritik
Soviel aufrichtig fröhliche Unbekümmertheit hat man lange nicht mehr erlebt und sich davon anstecken lassen. Die Musiker trugen nebenbei noch mühelos die Verantwortung gegenüber einem so klangvollen Namen wie dem „Kammerorchester Basel“ und dem damit verbundenen hohen Niveau. Und gegenüber dem Bestreben, wenn auch zwar nicht unbedingt innovativ, doch den aktuellen Interpretationsansätzen und -möglichkeiten insbesondere in Bezug auf die „Alte Musik“ zu folgen. So vermittelte das gesamte Ensemble ebenso große Lust am Musizieren wie die vom Instrument aus leitende Violinistin Julia Schröder und die Cellistin Anastasia Kobekina. Ein Blick ins Programm versprach einen heiteren Abend in Venedig, genauer gesagt mit Antonio Vivaldi, denn seine Kompositionen drückten dem Ganzen einen deutlichen Stempel auf und waren zugleich Bindeglied zu Werken umliegender Epochen. Doch wie wandelbar trat dieser vermeintlich allzu vertraute Meister auf! Die Concerti, in denen das KO Basel für Kobekinas fulminante Virtuosität den klingenden Rahmen setzte (wie das Konzert g-Moll oder Einzelsätze aus denen in e-Moll oder d-Moll), boten den heutigen gewohnten „Vivaldi-Sound“ in gepflegter, aber konventioneller alter Spielweise. Die Konzerte jedoch, in denen das Ensemble nur sich selbst verantwortlich auftrat (G-Dur, A-Dur), ließen aufhorchen. Nicht nur, weil sie unbekannter waren, sondern weil sie einen in karnevalesker Laune geradezu frechen, zumindest aber fast respektlosen Umgang mit dem Notenmaterial praktizierten. Respektlos, übermütig, aber nicht verletzend; denn mit Glissandi, bewusst eingesetzten Intonations-“Schieflagen“ zusätzlich zu Tempowechseln und allerlei Strichvarianten für abwechslungsreiches Kolorit, sorgte diese Art des freundschaftlich und musikalischen Auf-die-Schippe-Nehmens für einige Schmunzler. Vivaldi neu zu entdecken, ist seit längerer Zeit gängige Praxis. Er verträgt es gut, entstaubt und frisch gemacht zu werden. Ob allerdings die Instrumentalfassung von Barbara Strozzis „Che si può fare“, sehr frei mit jazzigen Elementen „aufgepeppt“, dem Original zugute kam, bleibt dahingestellt; eine schlichte, kunstvolle Wiedergabe am Urtext entlang, hätte mindestens die gleiche, wenn nicht eine stärkere Wirkung erzielt. Wie die hätte klingen können, demonstrierte Anastasia Kobekina zusammen im Duo mit Solisten aus dem Ensemble: in Caroline Shaws raffiniert gesetztem, rhythmisch und von Interaktion lebendem „Limestone & Felt“ für Viola und Violoncello, in Valentin Silvestrovs schmachtender Abendserenade für zwei Celli, vor allem aber in Faurés „Les Berceaux“ (Cello und Gitarre), ein singendes Cello in atemloser Stille im Saal. Hier durfte Kobekina mit lyrischem Ausdruck glänzen, während ihr nachfolgend vom Orchester für die Moses-Variationen (Paganini über ein Rossini-Thema) nochmals die Bühne für ihre grandiose Virtuosität bereitet wurde. Ein mitreißender Abschluss eines ebensolchen Abends, für den es großen Beifall gab.
Barbara Fischer
Grietje Oldigs-Nannen und Tamme Bockelmann stellen das Programm für die Saison 2025/2026 vor.
Das Kammerorchester Basel mit seiner Leiterin Julia Schröder an der Violine
Mariana Streiff-Doughty an der Violine und Ansastasia Kobekina am Violoncello
Ansastasia Kobekina mit dem Kammerorchester Basel
Ansastasia Kobekina am Violoncello mit dem neuen Cello-Podest.
Ansastasia Kobekina mit dem Kammerorchester Basel
Das Stimmschema als Vorgabe des Orchesters (Tonhöhe 415Hz).