6. Konzert: Les Vents Francais

Das wird sicher ein singuläres Ereignis bleiben für ein Konzert des VjK: Das Auftakt-Konzert einer Asien-Tournee zu sein, diese Ehre wird sicher nur den wenigsten deutschen Veranstaltern zu Teil. Denn nachdem die 6 Musiker des Ensembles „Les Vents Francais“ aus allen Himmelsrichtungen (China, Köln, Berlin, Amsterdam, Paris) in Leer angekommen waren, ging es am Tag nach ihrem Leeraner Konzert weiter nach Amsterdam bzw. München, um von dort Richtung Korea (zwei Konzerte in Seoul und Busan) und Japan (weitere sieben Konzerte) zu geben. Bleibt zu hoffen, dass sich die Konzertkleidung der Musiker bis dahin wieder eingefunden hat, denn diese war bereits auf dem kurzen Flug von Amsterdam in einem bestimmten Koffer nicht mitgekommen. Das tat der Ernsthaftigkeit des Konzerts im Theater an der Blinke aber keinen Abbruch.

Bereits in der Pause waren sich viele Konzertbesucher einig: Besser gespielt wird man diese Musik wahrscheinlich nicht zu hören bekommen. Vom spieltechnischen Niveau mal ganz zu schweigen war es Musik aus einem Guss, gemeinsam geatmet (selbst der Pianist Eric LeSage als einziger Nicht-Bläser nahm die Bewegungen der Kollegen auf) und wunderbar im Geiste der Komponisten interpretiert. Jedes Werk hatte seinen eigenen Charme, egal ob Mozart, Beethoven, Klughardt oder Satie.

Der gemeinsame Auftritt aller sechs Musiker im Sextett von Poulenc, einem hinreißenden Werk, motivierte das Publikum zu lang anhaltendem Applaus, für den sich das Ensemble mit einer Zugabe bedankte (aus dem Sextett op. 6 für Bläser und Klavier von Ludwig [Louis] Thuile der dritte Satz, die Gavotte).

Konzertkritik

Einem besonderen Anlass einen angemessenen Rahmen zu geben ist Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung. Konzertkleidung auf der Bühne und im Saal, bei Künstlern wie beim Publikum, schafft eine äußere Basis für das Gemeinschaftserlebnis Musik. Das Auge hört schließlich mit. Doch die Musik erschafft sich ihren Rahmen selbst, wenn sie adäquat dargeboten wird. Und so spielten die Herren des Ensembles „Les Vents Francais“ am Sonntag beim Konzert des Vereins junger Kaufleute in Leer ihre unterwegs hängengebliebene „Arbeitskleidung“ einfach in die Bedeutungslosigkeit. Im Gegenteil: die Künstler im bequemen Alltagsdress musizieren zu sehen, verlieh dem Abend die Atmosphäre einer öffentlichen Generalprobe und den Eindruck, hautnah mit dabei zu sein. Dabei zu sein bei einem Konzert wie eine Hörerin zuvor meinte: „Das wird sicher ein Programm zum Seele-Streicheln.“ Sie sollte recht behalten, wobei Seele und Geist nicht nur ausgiebig gehätschelt wurden, sondern ebenso ausgiebig mit Ernsthaftigkeit gepflegt, erweitert, aufgemuntert, erfrischt, harmonisiert und zudem bestens unterhalten wurden. Pars pro toto fand sich dies alles in August Klughardts Bläserquintett C-Dur, das zwischen Augenzwinkern und Theatralik, Munterkeit und Melancholie, Jagdhorn und romantisch besonnter Waldlichtung unbeschwerten Hörgenuss brachte. Großmeister Mozart (Quintett in Es) griff danach tief in die eigenen Taschen seiner Könnerschaft in der Entwicklung sanglicher Motive, seiner ihm eigenen Harmonik, im Spannungsaufbau: ein edler Mozart, der die Seele nach der espritvollen Einstimmung auf die ernsthafte Seite zurückholte. Hätten sich in „Les Vents Francais“ nicht so exzellente Musiker zusammengefunden, die lupenrein intonierten, sich in Virtuosität in nichts nachstanden, und die jeweiligen klanglichen Besonderheiten und Vorzüge ihrer Instrumente so eindrücklich vorzustellten, wäre dieser Abend trotz des abwechslungsreichen Programmes nicht so nachhaltig gewesen. So aber wird man sich gerne erinnern an das Beethovensche „Straßenmusik-Trio“ nach einem Motiv aus Mozarts „Don Giovanni“, an den chansonhaften Milhaud voll französischer Leichtigkeit, an das Sextett C-Dur von Francis Poulenc, das Rhythmus, einen gewissen Witz, Anlehnung an (Stumm-)Filmmusik, moderne Spieltechniken und die Vorstellung eines großen Orchesters vereinte. Wahre Musik braucht keine Kleiderordnung. Dennoch: Chapeau!

Barbara Fischer

Les Vents Francais bei der Probe

Les Vents Francais vor der Zugabe